Von Beruf Polizist: Helfer im ungeschönten Leben

Von Beruf Polizist: Helfer im ungeschönten Leben
Polizeioberkommissar Ralf Möllmann vor dem Kommissariat in der Wunstorfer Amtsstraße 2.
© Foto: Blattsalat

 

Blattsalat-Reporter Tim-Lukas Schubert (Jg. 10) möchte nach seiner Schulzeit Polizist werden. Im Polizeikommissariat Wunstorf durfte er Polizeioberkommissar Ralf Möllmann einem ausführlichen „Verhör“ unterziehen.
Sagen Sie mal, Herr Möllmann: Warum sind Sie Polizist geworden?

Weil es ein Beruf ist, der mit Menschen zu tun hat, mir verantwortungsvoll und abwechslungsreich schien und bei dem man „was bewegen kann”. 

Was macht den Beruf für Sie aus?

Der Umgang mit Menschen in allen Facetten – von den „Lieben” bis zu den „Arschlöchern“ –,  das ungeschönte Leben mitbekommen, auch helfen zu können …

Was sollte man „mitbringen“, wenn man Polizist werden möchte?

Einen realen Blick auf das Leben, nicht geschönt durch Fernsehsendungen wie „Tatort” oder Blaulicht-Reportagen – denn das Leben oder die Tatort- und polizeiarbeit verlaufen oft anders. Ein gewisser Enthusiasmus und Teamarbeitsfähigkeit sind ebenso wichtig wie Sportlichkeit, und ein selbstbewusstes, redegewandtes Wesen – denn „Reden“ ist nunmal unser wichtigstes Werkzeug. Menschenscheu ist daher fehl am Platz, zumal wir gefühlt immer unter Beobachtung stehen …

Wie sehen die Einstellungsvoraussetzungen aus?

Zunächst einmal muss man deutscher Staatsbürger und EU-Bürger sein – oder als Nicht-EU-Bürger eine Niederlassungserlaubnis besitzen. Man darf am Tag der Einstellung nicht älter als 31 Jahre alt sein, muss einen Pkw-Führerschein besitzen und mindestens das Jugendschwimmabzeichen in Bronze haben.

Die Bewerbungsvoraussetzungen? Abitur oder Fachhochschulreife, aber auch Realabschluss und Seiteneinstieg sind möglich.

Zu den Bewerbungsvoraussetzungen gehören das Abitur bzw. die Fachhochschulreife, aber auch ein Realschulabschluss ist möglich. Hinzu haben wir auch „Seiteneinsteiger“, die beispielsweise eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein  (abgebrochenes) Studium hinter sich haben. Weitere Informationen findest du hier: https://polizei-studium.de/voraussetzungen/

 

Die zwei Sterne auf den Schulterklappen zeigen, dass Ralf Möllmann Polizeioberkommissar ist.     © Foto: Blattsalat
Gibt es eine Mindestgröße?

Nur noch bedingt: Wer kleiner ist als 168 bzw. 163 cm ist, muss vor dem eigentlichen Einstellungstest einen weiteren absolvieren und sich in der Waffenhandhabung oder beim Bergen eines Dummys beweisen.

Wie läuft der Einstellungstest ab?

Zunächst entscheidet man sich bei der Bewerbung in Niedersachsen für eine Behörde, in der man später seinen Dienst verrichten möchte: Polizeidirektionen Hannover, Braunschweig, Lüneburg, Göttingen, Osnabrück, Oldenburg. Das hat den Vorteil, dass man nicht ins gesamte Land Niedersachsen versetzt werden, sondern später „heimatnah“ tätig werden kann. Sportvereine, Freunde, Familie etc. brauchen also nicht aufgegeben werden.

Und dann?

Nach Überprüfung der eingesandten Bewerbungsunterlagen wird man zum schriftlichen Eignungstest nach Hannoversch Münden eingeladen. Gemeinsam mit vielen anderen Bewerbern sitzt man einem PC und löst verschiedene Aufgaben in einer bestimmten Zeit. Wer den Test bestanden hat, tritt noch am selben Tag zum Sporttest an, der momentan „nur“ aus einem 5000-m-Lauf besteht, den minderjährige Jungs in höchstens 29 Minuten und Mädchen in 34 Minuten absolvieren müssen. Aber darauf kann man sich ja vorbereiten.

Beim Sporttest müssen 5000 Meter in 29 Minuten (Jungs) bzw. 34 Minuten (Mädchen) absolviert werden.

Im Anschluß wird man von seiner „Wunschbehörde“ zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Im Rahmen eines rund 60-minütigen Gesprächs mit der jeweiligen Einstellungskommission wird man in Bezug auf verschiedene Kompetenzen geprüft. Wenn man all das bestanden hat, wird man noch zu einer etwa vierstündigen ärztlichen Untersuchung eingeladen und auf die „besonderen gesundheitlichen Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst“ hin untersucht.

Welche Tipps können Sie für den Einstellungstest geben?

Man sollte sich unbedingt informieren, welche Art Aufgaben in so einem Test vorkommen und sich anhand entsprechender Bücher vorbereiten. Es spart wertvolle Zeit am Testtag, wenn man mit den Aufgabenstellungen bereits vertraut ist, nimmt vielleicht sogar die Nervosität an diesem ohnehin schon stressigen Tag. Den Sportteil sollte man trainieren und am Prüfungstag unbedingt fit sein, denn ein Wiederholen bei Nicht-Bestehen ist ausgeschlossen. 

Am Prüfungstag sollte ein Bewerber unbedingt fit sein – eine Wiederholung ist bei Nicht-Bestehen nicht möglich.

Die Einstellungskommission möchte sich ein persönliches Bild vom Bewerber machen. Sie wird mit dem Bewerber plaudern und wissen wollen, ob sie oder er sich mit dem Berufsbild auch tatsächlich auseinandergesetzt hat, ob man sein Wissen vielleicht nur aus Actionfilmen gewonnen hat und wie man in bestimmten Szenarien reagieren würde. Gut vorbereitet und mit ein bisschen Mut zum Reden, selbstbewusst aber nicht überheblich – dann sollte auch das kein Problem sein.

Der doppelte Polizeioberkommissar: Ralf Möllmann auf dem offiziellen Porträtfoto der Polizei, rechts ganz cool bei einem spaßigen Fotoshooting © Foto: Ralf Möllmann/Polizei Wunstorf 

 

Wie sieht die Ausbildung aus – und wie lange dauert diese?

Als Realschüler bei der Polizei muss man in einer zweijährigen fachpraktischen Ausbildung zuerst einmal die Fachhochschulreife ablegen. Man ist (und bleibt) Schüler, die 11. Klasse ist im Wesentlichen ein Praktikum bei der Polizei, die 12. Klasse ein rein schulisches Jahr. Im Anschluss wechselt man – zusammen mit den Abiturienten – an die Polizeiakademie Niedersachsen mit ihren Standorten in Nienburg oder Oldenburg und beginnt ein dreijähriges Studium. 

Was sind da die Inhalte?

Das erste Jahr dient der Vermittlung von Grundkenntnissen, im zweiten Jahr kommen mehrwöchige Praktika im Streifen- und Ermittlungsdienst hinzu, das dritte Jahr ist Vertiefungs- und Prüfungsjahr. Nach bestandener Prüfung wechselt man in seine Wunschbehörde „auf einen freien Platz“, das kann auch schon der Wunscharbeitsplatz des „Polizeikommissars“ sein.

Welche Aufstiegsmöglichkeiten und Perspektiven bietet der Beruf?

Bedingt durch den Wegfall des mittleren Dienstes und den doch nur relativ geringen Anteil am sogenannten höheren Dienst tummeln sich die meisten Kollegen natürlich im gehobenen Dienst. Aufstiegs- und Beförderungsmöglichkeiten sind vorhanden, je nach Bedarf und persönlicher Eignung.

Warum haben Sie sich für die Schutzpolizei und nicht etwa für die Bereitschaftspolizei entschieden?

Heute gibt es kaum noch Unterschiede zwischen Schutz- und Kriminalpolizei, „jeder“ kann quasi „jeden“ Job übernehmen, teilweise natürlich nur nach bestimmten Lehrgängen und Einarbeitungszeiten. Der Wechsel vom Ermittlungsdienst Stöcken in den Schichtdienst nach Wunstorf war familiär bedingt. So kann ich meine Kinder nach Feierabend nicht nur ins Bett bringen, sondern auch beim Aufwachsen der Kinder zusehen und andere Termine wahrnehmen.

Das Kommissariat in Wunstorf.   © Foto: Blattsalat
Wie sind Ihre Arbeitszeiten?

Die Arbeitszeiten im Schichtdienst sind Früh-, Spät- und Nachtdienst, und zwar 24/7, auch am Wochenende und feiertags. Im Ermittlungsdienst gibt es Früh- und Spätdienste, ansonsten Arbeitszeit „nach Bedarf“. Da ich in Kitas und an Schulen tätig bin, aber auch am Wochenende oder abends mal Seminare und Veranstaltungen habe, habe ich keine festen Arbeitszeiten. 

Wie hoch ist der Anteil der Schreibtischarbeit?

Ganz schön hoch und gefühlt viel zu viel – je nach Einsatzaufkommen und Delikt, also ob es sich um einen „einfachen Verkehrsunfall“ oder Einbruch mit größerer Spurenlage handelt. Nicht nur, dass man den Sachverhalt auch noch nachts um drei „vernünftig“ zu Papier bringen muss, gilt es doch mittlerweile den ganzen „Verwaltungsregularien“ gerecht zu werden. Das nervt mitunter schon. 

Können Sie sich noch an ihren ersten Einsatz erinnern, wie sie sich davor und dabei gefühlt haben?

Einer meiner ersten Einsätze als Hundertschafts-Beamter war am Flughafen Langenhagen, als ich einen Autoaufbrecher festnehmen konnte. Die Verfolgungsjagd ging gefühlt durch das ganze Parkhaus. Oder das erste Mal im Dunkeln mit der Waffe in der Hand bei einem Einbruch mit Tätern auf einem Gelände …

Was waren Ihre bislang belastendsten Einsätze, was ihre schönsten?

Physisch belastende Einsätze waren sicher solche wie in Gorleben, weil die Tage mitunter sehr, sehr lang waren. Psychisch belastend sind sicher solche mit Toten, egal ob natürlichen Todes gestorben oder von eigener bzw. fremder Hand, vor allem von Kindern.

Wird einem geholfen, mit der psychische Belastung umzugehen?

Ja, und man kann und sollte sich melden, wenn man Bedarf hat. Und dann ist da ja auch noch der Streifenpartner, der Vorgesetzte, die ein Auge drauf haben sollten und bei Bedarf Hilfe vermitteln können.

Vor welchen Einsätzen haben Sie den größten Respekt?

Vor denen mit einem „nichtigen“ Anlass, etwa einer Ruhestörung oder Familienstreitigkeiten, da weiß man nie, was sich daraus entwickelt.

Mussten Sie schon mal Gebrauch von der Schusswaffe machen?

Gegen einen Menschen zum Glück noch nie.

Ist der Beruf im Vergleich zu früher gefährlicher geworden?

Nein, ich glaube nicht. Aber unberechenbarer im Zeitalter von Handys, zunehmender Respektlosigkeit, mangelndem Rückhalt bei Teilen der Bevölkerung, auch der Politik. Tun wir nichts, wird uns das vorgeworfen – tun wir „zu viel“, sind wir die bösen Aggressoren. Erst wenn Politiker persönlich betroffen scheinen oder gewisse Themen einfach nicht „weggeschwiegen” werden können, gibt es Anstalten, etwas zu verändern.

Fühlen Sie sich in manchen Situation machtlos oder von der Politik im Stich gelassen, da die Gesetzeslage ein Eingreifen verbietet?

Die Gesetzeslage ist vielfach in Ordnung, nur fehlt – bei Staatsanwaltschaft oder Gericht – häufig Personal. Da wird stundenlang ermittelt und geschrieben, und dann wird nur ein Strich darunter gemacht. Manchmal weiß man bei der Anzeigeerstattung schon, dass man für den Papierkorb schreibt. Das muss man dann mal „der Oma“, der Geld gestohlen wurde, oder dem Einbruchsopfer erklären …

 

So hat die Polizei Niedersachsen im Kino Werbung für sich gemacht (Quelle: YouTube):

https://www.youtube.com/watch?v=jhgEkm_kW8Y