Wenn Zeiten Wandel erzwingen

Wenn Zeiten Wandel erzwingen

© Foto: Bongkarn Thanyakij/Pexels

 

Videochat statt Umarmungen. Virtuelles Beisammensein statt körperlicher Nähe. Social Distancing ist das Gebot der Stunde. Dazu hat sich Herr Arndt, Geschichts- und Englischlehrer an unserer Schule, ein paar Gedanken gemacht.  

„Ich sehe dich ständig nur am Handy, vielleicht kannst du es ja wenigstens einmal weglegen, wenn wir essen wollen.“ „Wenn er nach Hause kommt, geht es eigentlich sofort los mit zocken. Ich sehe ihn auch nie etwas lernen.“ Eine Generation muss nun im Hauruckverfahren lernen, dass, was zuvor anscheinend falsch war, auf einmal richtig ist. Zumindest richtiger, als die Ratschläge, die da sonst im Anschluss kamen: „Geht doch mal raus und trefft euch!“ oder „Schon gewusst, dass man Fußball nicht nur auf der PlayStation spielen kann?“ Plötzlich wird ein Verhalten gefordert, das so total gegen Urmenschliches geht, von dem sich doch viele in der kalten Konsumgesellschaft gerade mehr gewünscht hatten: eine ehrliche Umarmung, für die sich in Großstädten sogar Menschen auf Nähe-Events treffen, wäre nun ein Fehltritt. Ein Besuch bei Oma wie ein Angriff. Fröhliches Beisammensein verlagert sich nun bewusst ins Digitale, um aufzufangen, dass Partys in diesen Tagen zum Skandal werden. Vielleicht sogar zur Todsünde, wie sich argumentieren ließe.

2020 drückt den Reset-Knopf im menschlichen Zusammenleben, fordert Rückzug und Einkehr und deutet dabei schmerzlich auf Entwicklungen, die immer mehr Distanz schufen: Komplimente, die Likes werden, Influencer, die JetSet und Konsum vorleben, Eventhopping, das zur Selbstverständlichkeit wird und die eigene Person definiert. Wer nun um sich selbst kreist, wie es zu seiner Gewohnheit geworden war, spielt plötzlich mit der Gesundheit anderer. Die Zeit ist gekommen, Gewohnheiten abzulegen.

Im Geschichtskurs in der Oberstufe ging es unlängst um Theorien von Krise und Wandel, und noch war nicht absehbar, dass diese schon bald zu unserer gelebten Realität würden. Dort hieß es, Krisen seien reinigend und daher nötig, da man aus ihnen lernen könne. Sobald wir den Blick von täglich steigenden Zahlen und Schreckensmeldungen abwenden, können wir die Chance auf eine Umgestaltung des Miteinanders erkennen. Nur, dafür sind auf leider so unbestimmte Zeit hin Solidarität und Selbstlosigkeit gefordert. Wer dies einbringen kann, schaut danach auf eine gesundere Welt vielleicht mit neuem Blick und jegliche Partys und Reisen seien ihm umso mehr gegönnt. (Michael Arndt)