Poetry Slam in der 12c: Selbstbewusst, ironisch, persönlich – und durchweg grandios!

Poetry Slam in der 12c: Selbstbewusst, ironisch, persönlich – und durchweg grandios!

(c) Foto: Trust „Tru“ Katsande/Unsplash

Schon mal vom „Poetry Slam“ gehört? Dabei handelt sich um einen Wettstreit mit selbst verfassten und oftmals ganz persönlichen Texten. An solchen Texten haben sich die Schülerinnen und Schüler des Deutschkurses der 12 c Rahmen des Pflichtmoduls „Vielfalt lyrischen Sprechens“ versucht – und dabei ganz erstaunliche Resultate getextet. „Während des Schreibprozesses fiel mir die aufkommende Euphorie und Intensität in der Beschäftigung mit dem eigenen Text positiv auf“, berichtet Kursleiterin Mona Krysewski. Das Projekt habe richtig Fahrt aufgenommen. Die Krönung sei die selbstbewusste, ironische und teils sarkastischen Präsentation der eigenen Slamtexte durch die mutigen und teils selbst sehr belustigten Schülerinnen und Schüler der 12c gewesen. Laut eigener Aussage fühlten sich alle bei der Präsentation ihrer Texte wohl und hätten im Vorfeld nicht gedacht, dass sie die Beschäftigung mit Poetry Slam so begeistern könnte.

Zwei Beispiele gefällig?

Landwirtschaft (getextet von Tim)

Landwirtschaft. Klingt jetzt erstmal langweilig, ist es aber nicht. Notwendig dabei sind ganz verschiedene Denkweisen und Herangehensweisen. Ich möchte jetzt etwas darüber erzählen. Dazu blicken wir jetzt auf unseren guten alten Freund Matthias, auch Matze genannt.

Montagmorgen 6.30 Uhr: Der Hahn kräht mit dem ersten Sonnenstrahl. „Mistviech“, denkt sich Matze und stellt seinen Wecker aus. „Stille, schweigen – schlafen; wäre jetzt schön“, murmelt Matze. Er bewegt sich behäbig aus seinem Bett und geht ins Bad. Morgenroutine nennt sich das, denkt er beim Zähneputzen.

7.00 Uhr: Kaffee gießt er sich in eine Kaffeetasse. Frühstücken geht auch später. Naja muss ja…

An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass Matze schon lange keine Kühe oder anderes Nutzvieh hält. Isegrim tat dem sein Letztes.

7.30 Uhr: Die Kaffeetasse ist geleert und die Zeitung gelesen. „Geldsegen für die Landwirtschaft?“, heißt die heutige Überschrift. „Für wen?“, fragt sich Matze, „meine ganz bestimmt nicht!“

Matze ist übel gelaunt… Schon seit letztem September. Landwirtschaftsminister Hofreiter wollte mit einem gewaltigen Förderprogramm die Landwirtschaft stützen und die Papageien-Haltung erleichtern. Pflanzenschutzmittel sind verboten. Technologischer Fortschritt wird ignoriert.

8.00 Uhr: Matze geht raus. Melancholisch schreitet er durch seine Scheune und steigt auf um loszufahren. Nein, nicht auf den Trecker. Den darf er nicht mehr nutzen, ist ja ‘n Diesel.

10.00 Uhr: Ankunft am Feld. Heute ist Rüben hacken angesagt, per Hand. Nur zu blöd, dass Matze seine Hacke vergessen hat. Also wieder zurück zum Hof.

12.00 Uhr: Ankunft am Hof. Matze denkt sich: „Großartig, vier Stunden wieder für nichts…“ Er geht in die Scheune und greift sich seine Hacke. Auf geht’s wieder aufs Fahrrad.

14.00 Uhr: Erneute Ankunft am Feld. Matze steigt von seinem zweirädrigen Fahrzeug ab und schlägt sich in die Vegetation. Klatschmohn, Kornblume, Kornrade alles gedeiht zwischen seinen zuckrigen Zuckerrüben. Nur eben die Rüben selbst nicht.

Seitdem Pflanzenschutzmittel verboten sind, überwiegt auf den Feldern wieder die mechanische Unkrautvernichtung. Die Erträge sind auf heimischen Äckern eingebrochen und die Subsistenzwirtschaft hat zugenommen.

19.00 Uhr: Nach anstrengenden Stunden kehrt der malochende Matze wieder zurück. Abendbrot essen, duschen, ins Bett. „Alltag heißt das“, denkt er sich wieder. Der Hahnenwecker ist gestellt, morgen wartet das Büro. Landwirtschaft was ist das?

 

Gefühle (getextet von Sarah Dohnalek)

Ich will mit euch über Gefühle reden. Nein, nicht über meine Gefühle – oder vielleicht doch ein bisschen.

Ich habe Gefühle, das weiß ich. Ich bin nicht gefühlskalt, ich spüre Freude, Trauer Angst. So wie der Rest von uns.

Gefühle sind doch ganz natürlich. Sie sind nichts, wofür man sich schämen sollte.

Scham. Das ist auch ein Gefühl.

Scham fühlen wir, wenn uns unsere Unzulänglichkeiten aufgezeigt werden. Wenn wir etwas tun, das wir nicht wollten, und sich andere über uns lustig machen. Wenn wir jemandem ein Geheimnis erzählen wollen und nicht wissen, ob die andere Person uns erst nehmen wird.

Wenn ich euch jetzt fragen würde, was Scham für ein Gefühl ist, und ob es eins ist, das ihr gerne spürt, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich folgende Antwort kriegen würde: „Nein, ich will keine Scham spüren.“

Denn Scham zeigt mir einen Teil von mir, den ich nicht sehen will. Scham zeigt mir, dass ich nicht perfekt bin. Keine Maschine, die 24/7 365 arbeiten kann. Ich muss essen, trinken, schlafen, brauche Pausen, brauche Zeit für mich selbst.

Scham zeigt mir, dass ich nicht perfekt bin. Ich zum Beispiel bin viel zu lange durchs Leben geschlittert, ohne für die Schule lernen zu müssen. Und jetzt, wo ich es muss, schaffe ich es nicht. Und ohne zu lernen, schaffe ich nur selten mehr als 10 Punkte, egal in welchem Fach.

Scham ist ein negatives Gefühl. Darauf können wir uns vermutlich ohne große Diskussion einigen. Scham ist ein Gefühl, das niemand von uns will. Scham ist ein Gefühl, das wir liebend gerne gegen ein anderes, positives Gefühl eintauschen würden.

Selbstsicherheit. Stolz. Eigentlich das genaue Gegenteil von Scham.

Hier kommt meine Frage: Wer hat eigentlich beschlossen, dass Scham ein schlechtes Gefühl ist, und Stolz ein gutes? Diese beiden Gefühle sind doch eigentlich zwei Seiten derselben Medaille, in gewisser Art und Weise. Licht und Dunkel, hoch und tief, leicht und schwer.

Es gibt so viele Medaillen wie diese in unseren Schränken. Angst und Mut. Trauer und Glück. Hass und Liebe. Wir polieren die goldene, glänzende Seite, die die guten Gefühle darstellt, und zeigen sie der Welt. Die andere Seite zeigt zur Wand und kann nur von denen gesehen werden, die nah genug herangelassen werden. Die dunkle Seite, die wir nicht zeigen wollen. Aber warum verstecken wir diese Seite überhaupt? Glauben wir, nur weil die anderen uns ihre makellos glänzenden Medaillen zeigen, dass wir dasselbe tun müssten, weil wir ansonsten schlechter sind als sie? Gibt es vielleicht einen Trainer, wie im Sport, der anderen nur seine Erfolge zeigen will und die Menschen um sich herum deshalb dazu bringt, nur die glänzende Seite zu zeigen? Um zu zeigen: „Hey, seht her, ich habe nicht nur mein Leben im Griff, sondern auch das meiner Familie“? Nur weil diese Menschen uns ihre guten Seiten zeigen, glauben wir deshalb, dass die dunklen Seiten ihrer Medaillen nicht existieren?

Aber wir haben doch alle diese dunklen Seiten. Und es tut uns nicht gut, perfekt zu funktionieren, alles zu tun, was von uns verlangt wird, und das mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es tut uns nicht gut, unsere Gefühle zu unterdrücken.

Wir sind keine Maschinen.

Gefühle sind nicht da, um uns zu Boden zu stoßen und zu verhindern, dass wir wieder aufstehen können. Gefühle sind wie eine Achterbahnfahrt, das ist wohl wahr. Aber sie wollen uns nicht unser Leben schwer machen.

Sie sind einfach da, und sie wollen gespürt werden.

Wir bauen einen Damm, um unsere Gefühle zurückzuhalten. Aber wenn Gefühle erstickt werden, glimmt die Glut weiter. Und manchmal braucht es nur einen Funken, bis sie wieder entfachen und alles verzehren, was sich ihnen in den Weg stellt. Bis der Damm bricht und alles davon spült, was wir uns so mühsam aufgebaut haben.

Und wenn das passiert, ist danach alles leer, alles leicht. Diese Gefühle waren so groß, dass sie uns eingeschüchtert haben, doch im Nachhinein können wir sehen, wie klein sie doch manchmal waren und wie gut es tun kann, sie einfach fließen zu lassen. Zu fühlen, wie sie gefühlt werden wollen.

Gefühle sind nicht gut oder schlecht. Manche sind schwer, ziehen uns runter wie eine Eisenkugel, die an unser Bein gekettet ist, bis wir das Gefühl haben, zu ertrinken.

Manchmal fühlt es sich dann an, als gäbe es nichts mehr, das lebenswert wäre. Vielleicht auch, als wäre es besser, das Kämpfen aufzugeben.

Es sind nicht immer die äußeren Umstände, die uns dazu bringen, zu versinken. Manchmal stellt sich heraus, dass wir es selbst sind, die die Eisenkugel in unseren Armen halten und uns daran festklammern. Vielleicht sind die Arme, die sie halten, schon so taub geworden, dass wir es nicht einmal mehr bemerken. Aber wenn wir nur dieses Gewicht loslassen würden … Vielleicht würden wir dann wieder der Oberfläche entgegentreiben. Vielleicht würden wir endlich wieder atmen können. Vielleicht könnten endlich die leichten Gefühle übernehmen.

Wir können unsere Gefühle unterdrücken, aber irgendwann wiegen die leichten Gefühle nicht mehr schwer genug, um gegen die schweren Gefühle anzukommen. Selbst eintausend Federn sind nicht schwerer als ein Brocken Eisen.

Wir sind keine Maschinen. Wir können nicht funktionieren, wenn wir versuchen, perfekt zu sein. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut. Wir haben Bedürfnisse, haben Gefühle, die wir nicht vernachlässigen dürfen.

Und es gibt keine guten oder schlechten Gefühle. Nur die, die uns zu Boden ziehen, und die, die uns leicht machen. Aber wenn wir die schweren Gefühle nicht loslassen, werden